Gipfeltreffen 2012 in Binz

„Jetzt zählt es“! Einfacher und prägnanter konnte man den Hauptvortrag auf dem Gipfeltreffen 2012 des Fachverbandes Fliesen und Naturstein im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes am 18. und 19. Mai 2012 in Binz auf der Ostseeinsel Rügen nicht zusammenfassen.

Kurhotel in Binz

Zählen tun nach den Worten des Dirigenten und Coach Christian Gansch nur die Kunden, die „heute leben“ und „heute Lebensgefühl sowie perfekte Leistungen haben wollen“. Spannend, anschaulich und durch Musikeinspielungen ergänzt bot der gebürtige Österreicher ein Feuerwerk von Anregungen, die das Fliesenlegerhandwerk von einem erfolgreichen Orchester übernehmen kann. Viele wüssten nicht, wie ein Orchester funktioniere, so Gansch, aber eins sei im Orchester wie im Handwerk gleich: „Das Handwerk ist die Kernkompetenz. Ohne Handwerk, Technik und Disziplin geht es nicht.“ Er führte weiter aus, dass „der Kunde ein Recht auf eine perfekte Leistung hat!“ Das gelte immer und ohne Ausreden, ob es früher schon perfekt gelungen wäre oder ob es in der Zukunft wieder klappen könnte.

Gruppenfoto bei der Inselrundfahrt

Die Parallelitäten zwischen Orchester und Handwerksbetrieb sind für Gansch gegeben. „Ohne meine Leute bin ich als Dirigent nichts. Ich brauche daher Menschen, die eigenverantwortlich handeln, aufeinander hören und miteinander handeln.“ Dann könnte er Lebensgefühl verkaufen und empfahl den Fliesenlegermeister aus ganz Deutschland, ebenfalls Lebensgefühle zu verkaufen. Dabei müsse man sich immer wieder auf Veränderungen einlassen. „Das Modewort „Change“ ist keine Idee einer Person oder eine Bewegung, sondern einfach unser Schicksal. Wir müssen entscheiden, ob wir stehen bleiben oder weitergehen! Ein Orchester lebt Veränderungen, aber leider nicht alle Branchen“. Gansch riet dem Fliesenlegerhandwerk: „Vergessen Sie nie: Ihre Kunden wollen heute leben!“

Dass die Kunden im Mittelpunkt stehen müssen, zeigte auch der zweite Referent Dr. Gerhard Boßelmann, ein gelernter Landwirt, der heute „Die Landbäckerei“ mit über 25 Filialen rund um Hannover führt. Der Unternehmer will ein „Marktführer der Herzen“ sein und erklärt klipp und klar: „Wir verkaufen kein Brot, sondern Liebe und Emotionen!“. Dass dabei der Kunde im Mittelpunkt stehen muss, versteht sich von selbst. Mit interessanten PR-Aktionen, wie Brotlieferung per Pferdewagen und jeweils vier neuen Produkten im Monat, versucht er, Aufmerksamkeit zu gewinnen. Um erfolgreich zu sein und zu bleiben, bedarf es guter Mitarbeiter. „Ohne gute Mitarbeiter hat ein Unternehmen keine Zukunft!“

Außerdem setzt Boßelmann auf Qualität „made in Germany“. „Darauf können wir stolz sein, allerdings hat deutsche Qualität auch einen deutschen Preis!“, so der Unternehmer, der mitreißend, humorvoll und gespickt mit witzigen und ironischen Bemerkungen zum Fliesenlegerhandwerk aufgrund eigener Erfahrungen seine Ausführungen machte. Auf die Frage, was „ein Bäckerbursche den ehrbaren Fliesenlegern beibringen kann“, kam eine fast simple Botschaft, denn laut Boßelmann sind die Strategien für den Bäcker oder den Fliesenleger gleich. „Es geht um die Unvergleichbarkeit, um sich somit vom Wettbewerber zu unterscheiden!“. Das umfasse eine perfekte Qualität, Auftragsabwicklung, Service, Erreichbarkeit und Kundenorientierung. „Es muss für die Bauherren eine Freude sein, wenn der Fliesenleger kommt. Dann ist auch der Preis egal!“ Und wie schon zuvor von Christian Gansch gesagt, hörten auch hier die Fliesenleger: „Verkaufen Sie Lebensgefühl und lieben Sie Ihren Beruf!“.

Aus der Branche und für die Branche waren die Erfahrungsberichte zur Weckung von Kundenbedürfnissen von Jürgen Kullmann, Geschäftsführer der Oswald-Keramik und Stein GmbH & Co. KG aus Fulda. Der Fliesenlegermeister stellte das ABC des erfolgreichen Verkaufens vor. Das bedeutet, dass der Betrieb anders, besser und cleverer als die Mitbewerber auftreten müsse. Auch Kullmann wiederholte bereits Gesagtes, dass nämlich die Kundenwünsche im Mittelpunkt stehen müssten. „Es gibt für uns nur ein Ziel: den Auftrag bekommen! Wecken Sie Bedürfnisse beim Kunden mit begeisternden Ideen. Werden Sie Meister des emotionalen Verkaufs“. Kullmann machte deutlich, dass viele Anregungen auch einfach und in jedem Betrieb umgesetzt werden können. Dazu gehören seiner Meinung nach Dankkarten, Empfehlungsschreiben und Ansprache der Nachbarn.

Schließlich wurden die Chancen und Märkte für das Handwerk durch sogenannte LOHAS beleuchtet. Als LOHAS werden Menschen bezeichnet, die ihre Lebensweise auf Gesundheit und Nachhaltigkeit ausrichten. Als Referentin war kurzfristig Tanja Merkle von Lab4innovations eingesprungen. Zehn Prozent der Bevölkerung fühlt sich den Werten der LOHAS mit Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Natürlichkeit verbunden, weitere zehn Prozent sind affin. LOHAS sind in allen Generationen und in allen Bildungsniveaus anzutreffen und gehören keiner bestimmten sozialen Schicht an. „Wer LOHAS erfolgreich ansprechen will, muss die Lebenswelt dieser Menschen, die sich durch eine gewisse Widersprüchlichkeit beim Kaufen und Verhalten auszeichnen, verstehen. Dann könnte man sich die LOHAS als Powerkonsument der Zukunft, gar als Superzielgruppe, erschließen“, so Merkle. Und auch beim vierten und letzten Referat des Gipfeltreffens zeigte sich erneut, dass der Mensch im Mittelpunkt stehen muss. Merkle zitierte den amerikamischen Werbeexperte Howard Gossage, der bereits in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts erklärt hatte, dass „der Mensch als Mensch anstatt als Verbraucher angesprochen werden will!“

Alle vier Referenten zeigten auf dem Gipfeltreffen 2012 deutlich, dass der Erfolg eines Betriebes auf der Herangehensweise des Unternehmers und seiner Mitarbeiter basiert. Der Vorsitzende des Fachverbandes Fliesen und Naturstein hatte schon in seiner Eingangsrede an seine Berufskollegen appelliert, sich auf die Stärken und Potentiale des Handwerks zu konzentrieren. Aretz forderte von der Politik die Schaffung besserer und gleichwertiger Rahmenbedingungen für alle am Markt agierenden Fliesenlegerbetriebe, also vom Einmannbetrieb ohne Qualifikation bis hin zum großen Meisterbetrieb mit vielen Mitarbeitern. Er unterstrich aber, dass „wir alle auch selbst unsere Zukunft in die Hand nehmen müssen“. „Wenn wir uns aus der ruinösen Preisspirale verabschieden wollen, müssen wir uns mehr und mehr auf die Bereiche konzentrieren, in denen unsere Qualifikation gebraucht wird und wo wir Alleinstellungsmerkmale aufweisen können, über die andere nicht verfügen. Diesen Mehrwert, den wir als Meisterbetriebe unseren Bauherren und Kunden bieten, müssen wir betonen“, so Aretz.

Moderiert hatte das Gipfeltreffen 2012 erneut ZDF-Moderator Norbert Lehmann. „Mit Ihnen kommt man herum“, so seine Worte zu seinem ersten Aufenthalt auf Rügen und motivierte die Teilnehmer zum Beginn des Gipfeltreffens nicht zur Spurensuche im Sand, sondern zur Suche nach ihren Kunden von heute und morgen. Dass jeder Teilnehmer für sich etwas für die Spurensuche nach seinen Kunden mitgenommen hatte, wurde bei den Gesprächen am Rande und vor allem beim abendlichen Get Together auf Einladung der Sopro Bauchemie deutlich. Sopro-Geschäftsführer Andreas Wilbrand wünschte daher auch nur kurz einen schönen Abend zum Abschluss einer aufmunterndem Tagung. Anregungen für interessante Gespräche bei gutem Essen, guten Getränken und einem tollem Blick auf die Ostsee gab es reichlich.

Doch damit nicht genug. Der zweite Tag des Gipfeltreffens war für die Erkundung der Ostseeinsel Rügen reserviert. Gemäß dem Titel der Veranstaltung erklomm die Gruppe mit den gut 100 Teilnehmern den Gipfel der Insel Rügen, den Königsstuhl, die höchste Erhebung der Kreidefelsen mit grandiosem Blick auf die Ostsee. Außerdem wurde der „Koloss von Prora“, der über vier Kilometer lange Gebäudekomplex aus der Nazi-Zeit, besichtigt und ein Blick auf den neuen Fährhafen von Mukran geworden. Auf dem Erlebnishof von Bauer Lange standen dann die leiblichen Genüsse mit frischem Spargel im Mittelpunkt. Und dann wollten alle nur noch den Sonnenschein auf der Strandpromenade von Binz genießen. Schließlich sollte und wollte das Gehörte und Gesehene verarbeiten werden. Insgesamt waren es zwei Tage für den Betrieb, aber eben nicht im Betrieb.

Das Gipfeltreffen 2012 unter dem Motto „Chancen nutzen, Zukunft gestalten“ war die zweite Veranstaltung dieser Art, die der Fachverband Fliesen und Naturstein im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes durchführte. Vor zwei Jahren gab es ein Gipfeltreffen in Garmisch-Patenkirchen mit Besuch auf der Zugspitze. Durch interessante Referate will der Fachverband den Fliesenfachbetrieben neue Geschäftsfelder und Geschäftsmodelle abseits ausgetretener Pfade aufzeigen. Ziel ist es, dass die Betriebe nachhaltig erfolgreicher und einzigartiger werden.