Megaformate sicher und fachgerecht auf den Markt bringen!

Fachtechnische und juristische Anleitungen zum Megaformat – Erstes Online-Experten-Seminar stieß auf überwältigende Resonanz

Begrüßung beim Online-Experten-Seminar

Neue Wege im Rahmen der Digitalisierung ging der Fachverband Fliesen und Naturstein (FFN) im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) mit seinem ersten Online-Experten-Seminar. Kompakt, abwechslungsreich und unterhaltsam wurden die Faszination und Herausforderungen von Megaformaten am 18. März 2021 in knapp zwei Stunden beleuchtet. Das Ziel war es, das Produkt Megaformat sicher und fachgerecht auf den Markt zu bringen.

Vier Referenten trugen vor und beantworteten Fragen auch aus dem Live-Chat im Gespräch mit der Moderatorin. Die erste digitale Veranstaltung stieß auf eine überwältigende Resonanz. Mit rund 450 Teilnehmern hatten sich sehr viel mehr Zuschauer vor den Rechnern eingefunden, als der FFN erwartet hatte. Die Bewertung der Veranstaltung war hervorragend.

Fliesenlegermeister Marco Saas

Für Fliesenlegermeister Marco Sass, Inhaber eines Fliesenhandels und eines Fliesenfachbetriebes in Geesthacht in Schleswig-Holstein, ist das Megaformat ein Zeichen, dass sich kaum ein Bauprodukt so verändert habe wie die Fliese. „Das Megaformat ist eine riesige Chance für uns Fliesenleger, auch in Zukunft, stilvoll, ökologisch und zeitgemäß, Bauwerke zu verschönern“. In seinem Vortrag „Perfektion in Megaformat“ stellte er mehrere Forderungen auf, um Materialbrüche, die oft zu Lasten der Handwerker gingen, zu reduzieren bzw. auszuschließen. Bei den Prüfungen der Megaformatfliesen dürfte nicht nur nach DIN 14411 vorgegangen werden, denn „ein Premium-Material braucht auch ein Premium-Prüfverfahren“. Es seien neue Geräte für die Prüfverfahren notwendig, die über das Format 60×60 hinausgingen. Er sprach sich für neue Qualitätskontrollen aus, da „das Megaformat sehr different ausfallen kann“. Neue Verfahren seien zu entwickeln, die Spannungen im Material sichtbar oder messbar machen. Sass wünschte sich, dass Hersteller, Händler, Verleger und Konfektionierer noch enger bei der Planung zusammenarbeiten. Zum Abschluss zeigte er sich überzeugt davon, dass „das Fliesenlegerhandwerk mit dem Megaformat in Zukunft sicher am Markt besteht“.

Fliesenlegermeister Titus Wolkober

Mit den „wunderbaren Möglichkeiten“ schloss Fliesenlegermeister Titus Wolkober an, „die wir so bislang nicht hatten“. Der Sachverständige und Geschäftsführer eines Fliesenfachbetriebes in Gärtringen bei Böblingen stellte diverse Tricks und Kniffe für die Verarbeitung vor und schwärmte für das Großformat, denn „Megaformatfliesen sind absolut pflegeleicht, kratzfest, säurebeständig, fleckunempfindlich, leichter, dünner, häufig günstiger und einfacher bei Verlegung und Bearbeitung.“ Er wies auf die Tatsache hin, dass Megaformatfliesen Sonderkonstruktionen seien, sie entsprächen „nur“ dem Stand der Technik. „Sie sind keine Fliesen für jeden Einsatzzweck und jede Situation. Belastung, Einsatzort und Untergrund sind gründlich zu prüfen!“ Im Detail ging er u.a. auf die Themen Zuschnitte auf der Baustelle mit und ohne Konfektionierer und auf die richtige Wahl des Klebers auch beispielsweise bei der offenen Dusche ein und sprach sich gegen den Einsatz von Megaformaten bei Nischen aus. Zum Abschluss empfahl Wolkober den Kollegen eine gute Kalkulation, denn „die Organisation der Baustelle ist aufwendiger und Verschnitte und Brüche kommen auch bei großer Sorgfalt vor“.

Fliesenlegermeister Markus Ramrath

Der Fliesenleger- und Steinmetzmeister Markus Ramrath, Sachverständiger und Geschäftsführer eines Fliesenfachbetriebes in Korschenbroich in Nordrhein, sagte, dass megagroße Fliesen in 6mm Materialstärke eine immer größere Rolle bei seiner praktischen wie bei seiner gutachterlichen Tätigkeit spielen würden. Er stellte unter dem Motto „Tatort Baustelle“ Beispiele vor, wo er als Gutachter hinzugezogen worden war. Er ging wie seine Vorredner auf die Stichworte Sonderkonstruktion, Aufklärung und Haftung bei Megaformat ein und empfahl bei der Verlegung „eine besondere Sorgfalt“. Dazu gehörten seiner Meinung nach ein beidseitiger Mörtelauftrag auf Untergrund und Fliesenrückseite und ein möglichst vollflächiges und gewissenhaftes Einpressen der Fliese in den Verlegemörtel. „Aber auch bei einer gewissenhaften Ausführung können Rissbildungen nicht ausgeschlossen werden. Die individuellen Materialeigenschaften bleiben ein bisher unkalkulierbarer Faktor, welcher bei der Angebotserstellung mit eingepreist werden muss,“ so Ramrath. Sein Fazit ist dennoch positiv: „Megaformatfliesen sind ein High-End Produkt! Durch Verlegung mit meisterlichen Händen werden Megaformatfliesen das neue Aushängeschild unserer Branche!“

Rechtsanwältin Dunja Salmen

„Alles was Recht ist“ war der Vortragstitel von Rechtsanwältin Dunja Salmen, Leiterin der ZDB-Abteilung Bau- und Vergaberecht, die seit 15 Jahren „eine Leidenschaft für das Baurecht“ hat. Ihre zentrale Aussage war, dass das Megaformat keine 0815 Fliese sei und daher auch mehr als einen 0815 Bauvertrag bräuchte. Sie zeigte auf, was aus rechtlicher Sicht vor dem Bauen beachtet werden müsse und empfahl eine „offene Kommunikation über die Risiken und Nachteile der Megaformate“. Wie schon ihre Vorredner hob sie das Stichwort „Sonderkonstruktion“ hervor, denn noch gebe es keine DIN zum Megaformat, die eine entsprechende Verlegung normativ regelt. „Damit ist das Werk mit Verwendung von Megaformaten aus juristischer Sicht mangelhaft, weil es keine DIN und keine anerkannten Regeln der Technik gibt.“ Was muss der Unternehmer daher beachten? Laut Salmen müsse er auf die Sonderkonstruktion und das Fehlen der fachlichen Verlegehinweise hinweisen, der Unternehmer habe eine sogenannte Aufklärungs- und Hinweispflicht. Diese sei explizit in der VOB/B geregelt; gelte jedoch genauso in einem BGB-Werkvertrag. „Erfüllt der Unternehmer gegenüber dem Kunden vor oder spätestens bei Vertragsabschluss ordnungsgemäß die vorgenannte Hinweispflicht, so ergibt sich für ihn eine Haftungsbefreiung im Hinblick auf bestimmte Mängelrügen des Auftraggebers“, so Salmen. Sie empfahl die Nutzung eines Musterhinweises, um die Vor- und Nachteile darzustellen. Der Musterhinweis ist über die Veranstaltungsseite und für Verbandsmitglieder im internen Mitgliederbereich auf der FFN-Seite abrufbar.

Bernd Stahl bei der Verabschiedung

Die Konzeption der ersten Digitalveranstaltung zur fachtechnischen Unterstützung der Betriebe lag beim Technischen Ausschusses des Fachverbandes. Der Vorsitzende Bernd Stahl zeigte sich im Nachgang sehr zufrieden. „Ich bin begeistert von der qualitativen und quantitativen Resonanz durch unsere Mitgliedsbetriebe,“ so Bernd Stahl. „Wir konnten mit diesem reinen Onlineformat unsere Betriebe mit ihren Inhabern und Mitarbeitern schulen, damit sie fachgerecht die Megaformate auf den Baustellen verarbeiten können und sich diesen Markt sicher erschließen können. Megaformate sind ein relativ neues, aber tolles Produkt, aber mit Tücken bei der Verarbeitung. Hier sind wir mit der Veranstaltung ein gutes Stück weiterkommen und bleiben auch künftig am Thema dran. Den digitalen Weg werden wir auch weitergehen, auch wenn ich sehr hoffe, dass wir im November technische Fragestellungen wieder in Präsenz auf den Sachverständigentagen am 9. und 10. November 2021 diskutieren können.“

Auch die Europäische Union der Fliesenfachverbände (EUF) will das Thema Megaformate weiter mitvoranbringen. Das machte Silvio Boschian, EUF-Vize-Präsident, in seinem Grußwort zu Veranstaltungsbeginn deutlich. Boschian ist Mitglied der technischen Kommission der EUF und Projektverantwortlicher „XXL-Formate-Schadensbilder“ sowie Ehrenmitglied des Schweizerischen Plattenverbandes.

Die Partner des Fachverbandes haben mit ihrer themenspezifischen Präsenz auf der Veranstaltungsseite zum Online-Experten-Seminar den Informationsbedarf zu Megaformaten passgenau ergänzt. „So ist es eine durchaus gelungene und für die Zuschauer informative Kombination gewesen“, so Bernd Stahl.

Für die Mitgliedsbetriebe des Fachverbandes Fliesen und Naturstein war die Veranstaltung kostenfrei und kann in den nächsten fünf Jahren online noch angeschaut werden. Nicht-Mitglieder mussten eine Teilnahmegebühr zahlen, bekommen aber den Betrag zurücküberwiesen, wenn sie im Nachgang in die Innung eintreten. Auch im Nachgang ist eine Anmeldung möglich.

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